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Karma und Wiederwerden

Mit dem Prinzip der bedingten Entstehung sind im Hinblick auf die Grundtatsachen von Leben und Tod zwei der berühmtesten und wichtigsten — zugleich aber auch oft missverstandenen — buddhistischen Lehren verbunden. Dies sind die Lehren von Karma und Wiedergeburt. Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Karma nur eine von mehreren Anwendungen des Prinzips der Konditionalität ist. Karma ist nichts besonders Geheimnisvolles, Okkultes oder Sonderbares. Kurz gesagt bedeutet es, dass Handeln Folgen hat — und zwar Folgen, die nicht zuletzt auch auf die handelnde Person zurückwirken. Es ist wichtig, dies zu betonen, denn viel Verwirrung ist aus dem Irrtum entstanden, dass Karma und die buddhistische Lehre von der bedingten Entstehung identisch seien und dass somit alle Erfahrungen karmisch bedingt seien. Das trifft nicht zu.

Die frühren buddhistischen Schriften zeigen Karma als eine von fünf Spielarten des bedingten Entstehens. Diese fünf so genannten niyamas wurden in den Abhidharmaschriften systematisch erfasst, gerieten aber anscheinend in der buddhistischen Geschichte so stark in den Hintergrund, dass auch Buddhisten oft glauben, das Gesetz der bedingten Entstehung sei mit dem Karmagesetz identisch. Die fünf niyamas erklären die bedingte Ent-stehung in einer umfassenderen Perspektive. Danach können wir ‚Ursache-Wirkungs-Verhältnisse’ in folgenden Bereichen beobachten:

  • utu-niyama — bedingte Entstehung auf der anorganischen oder physikalischen Ebene der Existenz;
  • bija-niyama — bedingte Entstehung auf der organischen oder biologischen Ebene der Existenz;
  • citta-niyama — bedingte Entstehung auf der psychologischen oder mentalen Ebene der Existenz;
  • kamma-niyama — bedingte Entstehung auf der willentlichen oder moralischen Ebene der Existenz;
  • dhamma-niyama — bedingte Entstehung auf der dharmischen oder Wahrheits-Ebene der Existenz.

Diese Liste der fünf niyamas wird der Tatsache gerecht, dass praktisch jedes Ereignis von vielen Faktoren zugleich bedingt ist. Der Buddha betonte ausdrücklich, dass man karma nur dann als den wichtigsten bedingenden Faktor eines Geschehens annehmen sollte, wenn man alle anderen niyamas mit guten Gründen und großer Gewissheit ausschließen kann. In der Praxis wird das oft ziemlich schwierig sein, denn im Rückblick auf eine Erfahrung ist es schon aus praktischen Gründen unmöglich, sämtliche bedingenden Faktoren festzustellen, die zu dieser Erfahrung geführt haben.

Angesichts dieser Lehre wird auch deutlich, dass wir keineswegs genötigt sind, auf wissenschaftliche Erklärungen zu verzichten. Der kamma-niyama bereichert unsere oftmals zu ausschließlich materialistisch-wissenschaftlich ausgerichtete Sichtweise durch die Einführung einer weiteren, ethisch-moralischen Dimension. Eine ausführlichere Erklärung der fünf niyamas und der Wirkungsweise von Karma findet sich hier.

Wenn man das Karmagesetz mit der Lehre vom Wiederwerden verbindet — was man vielleicht nicht zwangsläufig tun muss — wird die kosmische Tragweite dieser moralisch-ethischen Dimension deutlicher. Vom historischen Buddha heißt es, er habe in der Nacht seiner Erleuchtung zunächst die vier dhyanas der meditativen Vertiefung durchlaufen und sei dabei in einen Zustand tiefer Meditation eingetreten. In dieser äußerst klaren und geschmeidigen Geistesverfassung habe er dann seine Aufmerksamkeit auf die Erinnerung an seine früheren Geburten gerichtet und sei sich unzähliger vergangener Leben bewusst geworden. Später dann, in der gleichen Nacht, habe er mit seinem übermenschlichen, göttlichen Auge sehen können, wie Menschen und andere Lebewesen gemäß ihrer heilsamen und unheilsamen Handlungen aus dem einen Daseinszustand verschwinden und in einem anderen wieder auftauchen. — Interessanter Weise gilt diese Schauung des Buddha nicht etwa als notwendiger Teil der Erleuchtungserfahrung, sondern als etwas, das jeder überprüfen kann, der sich entsprechend in Meditation schult und lernt, die höheren Stufen der Meditation zu erreichen. Das ist zwar leichter gesagt als getan, doch ist es wichtig festzuhalten, dass nach buddhistischer Überzeugung die Lehre vom Wiederwerden als durchaus ‚empirisch’ überprüfbar gilt. Solange wir sie nicht in unserer eigenen Erfahrung verifizieren können, wird uns aber kaum etwas anderes übrig bleiben, als sie entweder vertrauensvoll anzunehmen (was relativ leicht fallen dürfte, wenn wir dem Buddha vertrauen) oder aber eine agnostsche Haltung einzunehmen, also uns damit zu begnügen, dass wir darüber (zumindest bis auf Weiteres) keine Gewissheit haben.

Wie schon angedeutet, wird die Lehre von der Wiedergeburt oder, genauer, vom Wiederwerden in der Regel in einem Atemzug mit dem Karma-niyama genannt. Sie ist auch zweifellos eng damit verbunden, ohne aber mit ihm identisch zu sein. Wiederwerden bedeutet im buddhistischen Verständnis nicht, dass es ein unveränderliches, immaterielles Wesen gibt, das von einem physischen Körper zum nächsten wandert. Eine solche Auffassung würde der Lehre vom Nicht-Selbst widersprechen. Zu glauben, im Zeitpunkt des Todes ende mit dem Leben des Körpers auch das psychisch-mentale Leben, gilt im Buddhismus als eine extreme und falsche Ansicht. Ebenso extrem und falsch wäre es aber zu glauben, dass irgendein psychisches Element — etwa eine unsterbliche Seele — den Tod unverändert überdauere. Stattdessen sagte der Buddha, das ‚Wesen’ oder ‚Subjekt’ des einen Lebens sei weder genau dasselbe noch völlig verschieden vom ‚Wesen’ des anderen. Obwohl er Begriffe wie ‚Wiedergeburt’ gelegentlich verwendet, betont er doch immer wieder, dass es dabei niemanden gibt, der wiedergeboren wird. Eine Illustration aus dem alltäglichen Leben kann das vielleicht veranschaulichen: Ich kann leicht beobachten, wie eine Erfahrung, die ich jetzt mache, vielleicht der Gedanke an eine leckere Mahlzeit, zur Bedingung einer späteren Erfahrung wird — dass ich nämlich zum Telefon greife und mich mit Freund oder Freundin zum Essen in einem Restaurant verabrede. Meine jetzigen Gedanken, Gefühle, Wünsche, Worte, Handlungen und so weiter bedingen zukünftige entsprechende Ereignisse und Erfahrungen. Diese können natürlich durch die Wechselwirkung mit allen möglichen anderen Einflüssen modifiziert werden. So mag ich mich etwa auf dem Weg zum Restaurant machen, aber in einem Verkehrsunfall verwickelt werden und im Krankenhaus wieder aufwachen, wo mich Freund und Freundin — vielleicht — irgendwann besuchen. In vergleichbarer Weise, so sagt die Lehre vom Wiederwerden, entsteht in Abhängigkeit vom letzten Bewusstseinsmoment in diesem Leben der erste Bewusstseinsmoment des nächsten Lebens, und dabei ist die Beziehung zwischen den beiden Existenzen wie auch die Beziehung zwischen zwei direkt aufeinander folgenden Erfahrungen eine Beziehung kausaler Kontinuität. Das wird manchmal mit dem Bild einer Flamme veranschaulicht, die in ihrem Vorrücken ein Brennstoffbündel nach dem anderen verzehrt.