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Das Studium des Dharma

(Relativ frei übersetzte Auszüge aus Padmavajra: Talking the Dharma. In: Devamitra and Padmavajra: The Ideal Student. Padmaloka Transcripts, Surlingham/Norwich, S.10 – 17.)

 

 

Dharmastudium ist eine Praktik, die ebenso wertvoll ist wie alle anderen Disziplinen, wie z.B. Meditation, Puja, spirituelle Freundschaft, rechter Lebenserwerb, Ethik, altruistische Tätigkeiten usw.. Dharmastudium gehört auf dieselbe hohe Stufe wie all dies. Es handelt sich dabei nicht um ein zusätzliches Extra, sondern es ist zentral und genauso wichtig wie all diese anderen Dinge. Wir können all diese genannten unterschiedlichen Aktivitäten als verschiedene Art und Weisen betrachten, wie man den Pfad zur Erkenntnis dessen, wie die Dinge wirklich sind, erforscht und beschreitet. Anders ausgedrückt, können wir sie alle als verschiedene Wege betrachten, um unsere Zufluchtnahme zu erforschen, zu vertiefen und zu beleben. Das Dharmastudium, ob nun in einer Gruppe oder alleine, ist jene Form der Erforschung des Dharma, die zu einem großen Teil den Intellekt beteiligt. Doch schließt es auch andere Dinge mit ein – wie äußerst positive Emotionen, Freundschaft, Kommunikation und sogar kreative Imagination.

 

Worum es dabei geht, ist, dass wir alle in einer bestimmten Weise denken. Selbst wenn wir glauben, wir dächten gar nicht, denken wir doch. Und natürlich reden wir alle, wir stehen miteinander in Beziehung und kommunizieren in einer bestimmten Weise. Im Dharmastudium, beim Reden oder Nachdenken über den Dharma, tragen wir den Dharma, d.h. die Lehre und ihre Wahrheiten in diese Bereiche hinein. Wir lassen den Dharma, die Wahrheit, unser Denken beeinflussen, unsere Sprache beeinflussen, so dass unser Denken und unsere Sprache Dharma wird. Oder, anders ausgedrückt, wir verwenden Denken und Sprache als Wege, um den Dharma zu erforschen und immer tiefer zu durchdringen.

(...)

 

Wenn wir uns gegenwärtig halten, dass wir studieren, um unsere Zufluchtnahme zu vertiefen, dann wird uns dies vor Extremen schützen, die in Studiengruppen vorkommen können. Das eine Extrem, in das Studiengruppen abrutschen können, ist Spekulation; Spekulation, die mit der tatsächlichen Übung nichts zu tun hat, leeres Theoretisieren. Dies kann manchmal mit einer deutlichen Neigung zum Wettbewerb verbunden sein, wenn sich besonders kluge Köpfe heiß reden und einander zu übertrumpfen versuchen. So etwas sollte vermieden werden. Es hat mit dem Versuch, dharmische Prinzipien klar zu begreifen, nichts zu tun, sondern ist nur nutzlose Spekulation.

 

Das andere Extrem, in das Studiengruppen fallen können, ist übermäßige Selbstbezogenheit. In diesem Fall dreht sich die Diskussion um nichts anderes als um unsere eigene enge und begrenzte Erfahrung und um unsere eigenen Probleme. Der Dharma selbst wird ignoriert, man versucht nicht, auszugreifen und dem Dharma zu begegnen.

 

Wenn wir uns aber bewusst halten, dass es um Zufluchtnahme geht, dann eröffnet sich uns ein Mittlerer Weg, der diese Extreme transzendiert. Wir werden uns dann aufrichtig bemühen, die dharmischen Prinzipien deutlich zu erkennen und klar zu begreifen, und uns ebenso aufrichtig bemühen, diese mit uns hier und jetzt in Zusammenhang zu bringen und zu verstehen, wie sie uns helfen können, tiefer und entschlossener Zuflucht zu nehmen.

(...)

 

In einer Studiengruppe heißt das, dass unsere allererste Aufgabe darin besteht, den Sinn des betreffenden Textes zu erfassen. Wir machen uns klar, was genau gesagt wird, wir wissen, was auf der betreffenden Seite steht, wir verstehen die Bedeutung der Worte, wir begreifen den Zusammenhang. Ich glaube auf diesem Gebiet bedarf es viel größerer Anstrengungen. Nur zu oft lesen wir einen Absatz oder eine Zeile und bevor wir uns klar gemacht haben, was sie an dieser Stelle und in diesem spezifischen Kontext bedeuten, setzt schon ein Prozess freier Assoziation ein, der oft nur wenig mit dem zu tun hat, was im vorliegenden Text überhaupt gesagt wird. Manchmal – und das ist besonders gefährlich – empfinden wir einfach eine Gegenreaktion gegen die betreffende Zeile. Wir mögen sie nicht, weil bestimmte Worte darin vorkommen, etwas daran behagt uns nicht. (...)

 

Um den Sinn eines Textes zu erfassen, bedarf es nicht nur der Klarheit, sondern auch des Vertrauens, Vertrauen insbesondere im Sinne von Ehrerbietung und Rezeptivität. (...)

 

Doch natürlich tauchen auch Fragen auf. Was zum Beispiel, wenn wir mit dem Text nicht übereinstimmen? Nachdem wir die Bedeutung des Textes geklärt haben, verstehen wir genau, was dort gesagt wird, aber wir können uns nicht darauf einlassen, wir können es nicht annehmen, weil wir anderer Meinung sind, wir mögen es nicht. (...)

 

In diesem Fall wäre das erste Extrem, die betreffende Lehre völlig zurückzuweisen. Dies bringt uns in eine sehr eigenartige Lage: Einerseits sagen oder denken wir, dass wir Vertrauen in den Lehrer haben, dass wir darauf vertrauen, dass er mehr Einsicht und Mitgefühl hat als wir, andererseits weisen wir einige seiner zentralen Lehren zurück (und mit Zurückweisen meine ich auch, dass wir uns gar nicht mit ihnen auseinandersetzen möchten, ihnen aus dem Weg gehen und so tun, als gäbe es sie nicht). (...) Das wirft Fragen auf – hatten wir dann überhaupt Vertrauen in diesen Menschen? Haben wir da einen großen Fehler gemacht? Das Extrem der Zurückweisung bringt uns also in eine schwierige Lage.

 

Das zweite Extrem ist das einer falschen Annahme der Lehre. Wenn wir Zweifel über die Lehre hegen und mit ihr nicht übereinstimmen, dann ist es keine Lösung, uns einzureden, wir müssten einfach den Mund halten und Vertrauen haben. So übertünchen wir nur unseren Zweifel und unsere andere Meinung mit einer sehr dünnen Lage von Akzeptanz. Sehr weit werden wir mit dieser Herangehensweise nicht kommen. (...)

 

Was wir brauchen, ist natürlich ein Mittlerer Weg. Wenn wir Vertrauen in den Lehrer haben, wenn wir zuvor schon ein gewisses Maß an Vertrauen zu ihm und seinen Schülern gefasst hatten, dann können wir die betreffende Lehre zumindest provisorisch annehmen. (...) Man nimmt sie provisorisch an, versucht aber gleichzeitig ständig die eigenen Zweifel bewusst zu halten, sie offen zu legen und zu klären. (...)

 

Als nächstes fangen wir an, über die Bedeutung der Lehren nachzudenken. Wir befassen uns immer wieder mit ihnen. Innerhalb einer Studiengruppe tun wir dies natürlich nicht nur in unserem eigenen Geist, sondern durch tiefe und eingehende Gespräche. Im ersten Stadium haben die Studierenden bereits die Bedeutung des Textes erfasst und akzeptiert. (...) Doch nun kommt das zweite, wesentlich tiefer gehende Stadium, in dem jeder damit beschäftigt ist, die Implikationen und Auswirkungen dieser Bedeutung zu erforschen. (...)

 

Wenn unsere Diskussionen diese Ebene erreichen, können seltsame und magische Dinge zu geschehen. Vielleicht hat man eine Empfindung von etwas Geheimnisvollem, von Staunen. Während sich das Gespräch vertieft, beginnt man eine Vorahnung jener Realität wahrzunehmen, auf die die Worte nur hinweisen, wie ein geheimnisvoller Duft. Allen Beteiligten wird es wichtig, dieses Geheimnis zu ergründen, diese Realität zu erfassen. (...) Die zuvor scheinbar abgehobenen und abstrakten Prinzipien des Dharma fangen an, für uns lebendige Grundsätze zu werden.